Schüler verletzt Schüler? Warum die PHV meist nicht leistet
Es passiert jeden Tag in deutschen Schulen und Kindergärten: Kinder albern herum, ohne sich Gedanken über mögliche Folgen ihres Handelns zu machen. Dabei schlagen die Beteiligten gelegentlich über die Stränge, jemand wird verletzt –ja, manchmal auch schwer. Und was macht die Privathaftpflicht…?
Nun stehen Schüler und Kindergartenkinder natürlich unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Bekanntlich stellt diese hinsichtlich der finanziellen Entschädigung nur einen sehr überschaubaren Schutz dar. Vermutlich werden nun auch viele von Ihnen denken „Kein Problem, dafür gibt es ja die Privathaftpflicht“. Doch genau dafür fehlt die Haftungsgrundlage!
Die §§ 104-106SGB VII beschränken die Haftung. Nach diesen Vorschriften ist der Schüler einer allgemeinbildenden Schule, der während des Schulbesuchs einen Schulunfall verursacht, indem er einen Mitschüler verletzt, zum Ersatz des Personenschadens nach dem Recht der unerlaubten Handlung nur verpflichtet, wenn er den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hat.
Wenn Sie nun überrascht sind, befinden Sie sich in bester Gesellschaft. Das Problem wurde in mehreren Urteilen bestätigt:
Das Handelsblatt berichtete von einem Fall aus dem Jahr 2000, als ein damals 13-jähriger Schüler einen Knallkörper in eine Gruppe anderer Schüler geworfen hatte. Ein Mädchen zog sich dabei eine Schädigung des Gehörs zu und musste sich in Behandlung begeben. Ein Schadenersatzanspruch wurde eingeklagt und letztlich von mehreren Instanzen abgelehnt (BGH VI ZR 163/03).
Ein weiteres Beispiel ereignete sich im Jahr 2003. Hier warfen Schüler im Werkraum Kugeln aus Alufolie in Richtung eines damals 15-jährigen Schülers, der diese mit einer Säge zurückschmetterte – ähnlich wie mit einem Tennisschläger. Dabei löste sich das Sägeblatt und verletzte einen Mitschüler am Auge. Der Mitschüler verlor das Sehvermögen auf dem rechten Auge dauerhaft. Seine Erwerbsfähigkeit wurde um 30 Prozent herabgesetzt. Auch hier wurden Zivilforderungen gegen den sägeschwingenden Schüler letztlich vor dem Bundesgerichtshof abgelehnt (BGH VI ZR 34/02).
Im Ergebnis bedeutet das, dass es keine Erstattungsleistungen für Ansprüche geben kann, die ein in Schule oder Kindergarten Geschädigter gegen den Schädiger richtet – kein Schmerzensgeld, kein Verdienstausfall oder auch keine sonstigen Geldforderungen. Außer, der Schaden wurde vorsätzlich zugefügt – aber dann greift die Privathaftpflicht nicht einmal mehr zur Schadensabwehr. Ob man dann bei schweren Verletzungen ohne PHV für die Forderungen aufkommen kann, ist noch ein ganz anderes Thema.
Bei deliktunfähigen Kindern wird dieser gefühlte Missstand (nichtvorsätzlicher Schaden) auch dadurch nicht geheilt, dass eine Deliktunfähigkeitsklausel in der Haftpflicht enthalten ist. Es fehlt schlicht und ergreifend die Haftungsgrundlage.
Was davon nicht berührt wird, ist das Thema der Aufsichtspflichtverletzung. Diese wird z. B. während des Schulbesuchs auf die Lehrkräfte übertragen. Natürlich ist es einem Lehrer unmöglich, permanent jeden Schüler im Auge zu behalten und dennoch Unterricht abzuhalten. Auch als Pausenaufsicht ist es nicht darstellbar, dass man an jedem Ort gleichzeitig ist. Daher wird es genügend Fälle geben, in denen einem Lehrer keine Aufsichtspflichtverletzung nachgewiesen werden kann. Die Diensthaftpflicht des Lehrers ist in jedem Fall aber die sinnvollere Anlaufstelle für Forderungen als die Privathaftpflicht der Eltern des Schädigers.
Sachschäden sind – entsprechend dem Gesetzestext – natürlich komplett außen vor und selbstverständlich auch in Schule oder Kindergarten grundsätzliches Thema der PHV. Zumindest dann, wenn es sich bei der beschädigten Sache nicht um ein Hilfsmittel (z. B. Brille, Hörgerät, Rollstuhl…) handelt, denn diese gelten gem § 8 Abs. 3 SGB VII ebenfalls als Gesundheitsschaden.
Nicht zuletzt, weil man mit beiden Seiten mitfühlt – es sind ja oft noch Kinder, die da betroffen sind – fühlt sich diese Regelung unsagbar falsch an. Sie belegt allerdings, dass eine private Unfallabsicherung für Kinder unverzichtbar ist. Nur so kann ein unkomplizierter, angemessener finanzieller Ausgleich für eine erlittene Dauerschädigung sichergestellt werden. Selbst relativ hohe Absicherungen (z. B. 100.000 Euro Grundsumme mit 500 % Progression) sind für Kinder für weniger als fünf Euro im Monat zu haben. Das sollte jedem der Schutz der eigenen Kinder wert sein.
Weiterhin wäre auch eine Rechtsschutzversicherung mehr als angebracht, wenn Kinder im Haus sind. Schon alleine durch dieses Gefühl der Hilflosigkeit werden Eltern eines geschädigten Kindes den Gang zum Rechtsanwalt nicht scheuen. Die Erfahrung der bisherigen Rechtsprechung zeigt allerdings, dass sie sich damit dann lediglich zusätzliche Kosten aufbürden.
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